Dunkelblauer Dunst

Thore nutzte den verbliebenen Stummel, um die nächste Zigarette zu entzünden. Der Rauch vermischte sich mit dem Dunkelblau des Abendhimmels. Während der Mittagspause hatte ihnen Tine einen langen Vortrag über den Neumond im Widder gehalten. “Leute, heute ist der ultimative Zeitpunkt für einen Neuanfang! Wem von Euch darf ich nachher die Karten legen?” Augenzwinkernd hatte sie sich zu ihm über den Tisch in der Cafeteria gebeugt. “Thore, wie wär’s? Ein neuer Job, eine neue Liebe?” Wie sie ihn alle neugierig beäugt hatten.

Als Silke ihn schließlich in die Seite geknufft hatte, war er wortlos aufgestanden und eine Runde durch den Park gelaufen, bevor er ohne jeden Kommentar an seinen Computer zurückgekehrt war.

Die Glut glimmte auf, als er einen weiteren Zug nahm. Sollten die Kolleginnen doch nach Feierabend zusammensitzen und orakeln! Für ihn war das nix. Lieber saß er auf seinem Balkon und starrte ins Dunkel. Bisher hatte das Leben ihn immer in die richtige Richtung geschubst. Was sollte er sich da die Karten legen lassen? Am Ende kam doch sowieso alles anders. Glaubten seine Kolleginnen wirklich an diesen Quatsch? Dann säße Silke jetzt neben ihm und sie würden sich diese Zigarette teilen. Hatte ihnen der Wahrsager auf dem Jahrmarkt im letzten Jahr nicht die große Liebe prophezeit?

Kopfschüttelnd drückte Thore den Stummel in den überfüllten Aschenbecher. “Was ist, hast du etwa Angst vor der Zukunft?” Noch immer hatte er Antonias Quäkstimme im Ohr. Selbst an seinem Rechner hatte er keine Ruhe vor ihnen bekommen. “Vielleicht hat er Angst, dass die Karten ihm womöglich eine neue Beziehung prophezeien.” Wie Simon geschmunzelt hatte. So ein Arsch! Wieso sollte er Angst vor einer neuen Beziehung haben? Das mit Silke war halt einfach blöd gelaufen. Immerhin verstanden sie sich doch noch ganz gut. Natürlich hatte er zunächst überlegt, die Firma zu wechseln, aber so schlimm war das ja auch alles nicht. Seine Eltern waren schließlich auch getrennt und hatten das Unternehmen deswegen nicht gleich verkauft.

Warum sollte man sich denn vor einer neuen Beziehung fürchten? Und warum hatte Erik ihn eigentlich nicht unterstützt? Der war heute Abend ganz sicher ebenfalls nicht dabei. So wie Thore, hatte er sein Leben doch auch im Griff und benötigte dieses Hexenwerk bestimmt nicht.

Thore zündete eine nächste Zigarette an. Vielleicht sollte er sich morgen einfach krank melden. Oder vorgeben, er sei noch unterwegs gewesen und habe jemanden kennen gelernt und, na ja, die Nacht, sei halt sehr lang geworden. Vielleicht würden sie ihn dann endlich in Ruhe lassen. Und Silke möglicherweise noch einmal ihre Entscheidung revidieren.

Er ging zum Kühlschrank und nahm eine Bierflasche heraus. Zumindest ein bisschen verkatert sollte seine Stimme morgen immerhin klingen!

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