Wer hätte gedacht, dass mein Text „Leben im Fluss“ nur ein Vierteljahr später dermaßen aktuell sein würde? Benjamin Franklins Zitat, „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“, erscheint in der derzeitigen Situation aktueller denn je. Mehr und minder freiwillig leben wir nun zurückgezogen in den eigenen vier Wänden und müssen zwangsläufig mit uns allein zurechtkommen. Keine Ablenkung durch Window Shopping, Barbesuche oder Privatparties. Kein Kinobesuch, auf den man sich freuen kann, keine Ausstellung und keine Aufführung. Kunst und Kultur wurden – zumindest offline – komplett ausgeschaltet. Plötzlich sind wir gefragt, uns gänzlich mit uns selbst zu befassen, unsere Zeit sinnvoll zu nutzen, um keiner Depression zu verfallen.
Ich möchte mich in diesem Beitrag nicht über Sinn oder Unsinn der Corona-Maßnahmen äußern, doch möchte ich teilen, was ich um mich herum beobachte. Wie unterschiedlich die Menschen mit der aktuellen Lage umgehen, wie sie es schaffen, die Situation für sich zu nutzen oder nervlich an ihr zu scheitern drohen.
Vor den Fenstern schauen wir in einen blauen Himmel, wie wir ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Ein tiefes, reines Blau ohne jeden Flugverkehr. Die Vögel zwitschern, Knospen erblühen. Und dennoch haben viele von uns den Eindruck innerlich zu verwelken. Das Ohr glüht von stundenlangen Telefonaten mit Freunden. Die Waage zeigt allmorgendlich ein bisschen mehr an, futtern einige von uns sämtlichen Frust in sich hinein. Andere hingegen stürzen sich in sportliche Aktivitäten und kehren komplett durchtrainiert irgendwann wieder an den Arbeitsplatz zurück. Menschen erfreuen sich an einem handgeschriebenen Brief vom besten Freund oder der besten Freundin oder auch an der eigenen künstlerischen Schaffensperiode, für die nun endlich Zeit ist. Niemand muss mehr hetzen, sind wir alle zum Stillstand gezwungen. Der Spaziergang im Park wird zum Highlight des Tages. Nachbarn legen sich kurzerhand einen Hund zu, um neben Einkauf und Arztbesuch einen weiteren Grund zum vor-die-Tür-Treten zu haben.
Wie ich im November 2019 bereits schrieb, kommt es nun auf uns und unsere Gedanken an, das Beste aus dieser Zeit zu machen. Leben wir allein im Hier und Jetzt und erkennen an, dass das Glück in uns wohnt, müssen wir es nicht im Außen suchen oder den Moment, wenn wir endlich wieder einem geregelten Alltag nachgehen können, herbeisehnen. Genießen wir die Stille, die Möglichkeit, endlich mal mit dem ein oder anderen Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Nun haben wir die Möglichkeit zu erkennen, wer es gut mit uns meint. Uns darüber bewusst zu werden, was wir wirklich wollen, mit wem wir unser Leben und unsere kostbare Zeit teilen möchten.
Nutzt die Zeit und seid gut für Euch da! Jede und jeder von uns ist einmalig und sollte Menschen um sich haben (auch wenn dies physisch momentan nicht möglich ist), die einen genau dafür gern haben.
Passt auf Euch auf und bleibt körperlich und geistig gesund!