"Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren" (Benjamin Franklin)
Ein grauer Tag vor dem Fenster. Das Aufstehen fällt schwer. Die Buchstaben rattern vor den Augen, ein Sumpf aus Wörtern und Fragen verschlickt das Hirn. Graue Zellen werden reaktiviert, der Nebel lichtet sich. Der Körper funktioniert noch nicht, aber der Kopf rattert ohne Unterlass. Noch keinen Blick aufs Handy wagen, von der Umwelt abgeschieden bleiben, um Herz und Hirn arbeiten zu lassen, ohne einen spezifischen Sinn und Zweck, ohne den Aufruf von außen, etwas zu tun, etwas zu erledigen. Dem Unterbewusstsein Raum geben. Die Gedanken wie Wolken vorbeiziehen lassen, ohne Input von außen. Das Gehirn verarbeiten lassen, was war und was kommen mag.
Dabei weiß niemand, was kommen mag. Niemand hat eine Ahnung, kann absehen, was in den nächsten Stunden, Tagen, Wochen passieren mag, und doch wollen wir es wissen, wollen planen und uns darauf einstellen können. Dabei kommt es häufig ohnehin ganz anders als gedacht, als geplant. Das Leben nimmt seinen eigenen Lauf, und wir müssen erst wieder lernen, uns darauf einzulassen, uns dem Fluss des Lebens hinzugeben, ohne Angst, ohne Befürchtungen. Wollen wir doch immer und überall die Kontrolle über allem besitzen. Wollen wir bestimmen, wie das Leben weitergeht, was als Nächstes passieren soll, und sind dann über die Maßen enttäuscht, wenn ein Treffen in letzter Minute abgesagt wird, der Zug nicht kommt oder ein Gespräch in eine andere Richtung verläuft als wir es erwartet oder gar vorausgeplant hatten. Wir müssen anscheinend erst wieder lernen, akzeptieren und annehmen zu können, dass alles, egal wie es läuft, genauso gedacht ist. Wir sollten darauf vertrauen, dass es das Universum gut mit uns meint. Dass alles aus einem ganz bestimmten Grund passiert, auch wenn uns dieser momentan vielleicht noch nicht ersichtlich ist, oder es gar Jahre dauert, bis er sich uns überhaupt erschließt.
Im Hier und Jetzt leben, das Leben nehmen, wie es kommt, davon sind wir oftmals von uns noch meilenweit entfernt. Nicht enttäuscht sein, wenn etwas anders läuft als geplant, sondern sich freuen über die neuen Möglichkeiten, die sich uns dadurch eben auftun. Wie viele Menschen sind uns schon völlig unvorhergesehen begegnet, die wir nun unsere Freunde nennen? Auch jene Menschen, die uns vielleicht nerven, ärgern, so richtig auf die Palme bringen, erscheinen in unserem Leben nicht grundlos. Sie stoßen uns immer wieder auf unsere eigenen Schwächen. Defizite, wenn man so sagen mag. Das, was uns an Anderen stört, hat immer etwas mit uns selbst zu tun. Inwiefern spiegeln uns diese Menschen möglicherweise unsere tief verborgenen Wünsche und Ängste wider? Was haben sie, was wir vielleicht auch gern hätten und um das wir sie insgeheim beneiden, dass wir sie daher nicht ausstehen können?
Wie viel Neid und Ego steckt in unseren Gedanken verborgen? Emotionen, zu denen wir den Zugang verloren haben. Die irgendwo ganz tief in uns verborgen sind und an die wir nicht herankommen. Lassen wir sie zu, könnte unser Weltbild, alles, was wir uns bisher aufgebaut haben, plötzlich ins Wanken geraten. Fürchten wir uns möglicherweise davor, dass sich bestimmte Personen aus unserem Leben verabschieden könnten, wenn wir nicht mehr die Person sind, die wir bisher vorgaben zu sein. Mehr Schein als Sein. Doch sind gerade das Sein, das Authentische, das Sprechen aus den tiefsten Emotionen das wirklich Interessante, das, was einen Menschen ausmacht. Unsere Gefühlswelt nach außen kehren. Das, was den meisten von uns seit Kindheitstagen untersagt wurde, als es hieß, Sei stark! Da stehst du drüber! oder auch Männer weinen nicht! Sich nicht verletzlich zeigen aus der Angst, der Andere könne dies auszunutzen. Aber was sind das für Menschen, die ihren Vorteil aus den Schwächen Anderer ziehen wollen? Die nur darauf warten, dass der Andere eine verletzliche Stelle zeigt, auf der dann herumgeritten werden kann.
Wie viele Jahre kann ein Mensch mit diesen Glaubenssätzen leben, diese so tief in sich verankern, dass ein schönes, authentisches Leben kaum noch möglich erscheint? Wie lange braucht es, die jahrelang uns innerlich zerfressenden Gedanken umzukehren? Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn wir ehrlich und authentisch agieren, ganz plötzlich das sagen, was wir denken und fühlen? Ja, es werden sich möglicherweise Menschen von uns abwenden. Aus welchem Grund? Vielleicht ja, weil sie nicht damit umgehen können, dass jemand plötzlich ausspricht, was er oder sie denkt? Weil es möglicherweise anstrengend ist, wenn sich jemand verletzlich zeigt, dem Gegenüber jedoch der Zugang zu den eigenen Emotionen verwehrt bleibt und sich diese Person daher unfähig fühlt, angemessen darauf zu reagieren? Wollen wir diese Menschen dann überhaupt noch in unserem Leben haben?
Wir müssen uns entscheiden, ob wir ein Leben führen wollen mit Menschen, die uns dafür lieben, wie wir sind, oder dafür, wer wir vorgeben zu sein. Wenn wir diese Entscheidung getroffen haben, erst dann können wir das Leben führen, das wir uns von Herzen wünschen. Egal, wie die Entscheidung ausfällt, müssen wir vorab den Weg zu unseren Emotionen freigraben, schauen, was da tief in uns verborgen liegt, den Hüter unserer Innenwelt besänftigen, uns den Zutritt zu unserem Innersten zu gewähren. Denn dann passieren die wirklich guten Dinge. Plötzlich begegnen wir den Menschen, die es wirklich gut mit uns meinen. Mit uns selbst, völlig unabhängig von unserem finanziellen Background, unseren Kontakten und unserem Äußeren. Doch dazu gehört Mut. Mut in einer Welt, in der immer wieder die Angst geschürt wird. Die Angst vor dem Fremden, die Angst vor der Arbeitslosigkeit, die Angst vor der gesellschaftlichen Ausgrenzung.
Unser Bedürfnis nach Sicherheit ist oftmals so groß, dass wir darüber hinaus alles Andere vergessen. Wir wollen einen Partner, der uns Geborgenheit schenkt, einen sicheren Job, ein Zuhause als sicheren Hafen. Was wir dabei vergessen, ist, dass wir genau das schon in uns tragen. Der sichere Kern ist in uns verborgen. Da ist die Liebe, das Zuhause. Wir müssen es nur wieder freilegen, den Wächter beiseite schieben und hinabtauchen. Annehmen und uns erfreuen an dem, was in uns ist. Alles Andere wird sich fügen, ohne dass wir dafür kämpfen müssen. Nehmen wir die Maske ab! Geben wir uns dem Fluss hin und tauchen immer mal wieder ab in unsere Innenwelt! Lernen wir uns besser kennen, damit auch Andere die Chance bekommen, unserem wahren Ich zu begegnen ….
Ja genau! Aloha. Die große Hingabe. Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Wer bin ich wirklich? … JA.
Blank und nackt sich zeigen, das ist die größte Sicherheit, die es gibt, sagt das Herz.
Danke fürs Teilen und Sein.
lieben Herzensgruß, tine