Der letzte Neumond des Jahres. Zeit innezuhalten, zurückzublicken und Wünsche für die Zukunft zu äußern. Statt 2022 kommt mir seltsamerweise immer wieder das Jahr 2019 in den Sinn, in dem mir zu exakt dieser Zeit auf Bali die Idee zu diesem Blog kam. Drei Jahre, etliche Einträge und mehrere Umzüge später sitze ich nun im verregneten Berlin, sehe aus dem Fenster und will versuchen, das Jahr 2022 in Worte zu fassen. Und dabei kommen mir drei Begriffe in den Sinn: Schnee, Sonne und Nieselregen. Das Wetter der vergangenen vierzehn Tage als das perfekte Abbild meines Jahres.
Wie in einem Film erscheint vor meinem geistigen Auge eine Abfolge von Bildern: Wochenenden am Chiemsee, Stand-up-Comedyabende in Stuttgart, unzählige Treffen auf dem Tempelhofer Feld, Konzerte, Ausflüge an diverse Brandenburger Seen, Kurzurlaube an die Ostsee, der Erscheinungstag meines Romans und ein ausgiebiger Spaziergang durchs nächtliche Rixdorf. Ich sehe Freunde, die nicht länger eine aktive Rolle in meinem Leben spielen sowie die Gesichter jener Menschen, die mir das Universum schickte, um meinem Leben eine neue Wendung zu geben. Ich begreife, wie viel sich verändert hat und dass so manches, um das ich die letzten Jahre gebeten hatte, auf einmal da ist. Ich realisiere, wie vielen Menschen ich dankbar bin, dass sie mir in diesem Jahr zur Seite standen und wie jeder von ihnen seinen Teil dazu beitrug, mich an genau diesen Punkt zu bringen, an dem ich mich jetzt befinde. Gleichzeitig bin ich davon überwältigt, wenn nicht sogar demütig, als mir so richtig bewusst wird, wo ich plötzlich stehe – und wovon ich 2019 nicht einmal zu träumen wagte.
Doch es gab nicht nur diese Sonnenseite. Ein wichtiger Pfeiler meiner Entwicklung in diesem Jahr war sicherlich die große Verzweiflung, nachdem meine Vermieterin mir mitteilte, dass ich die Wohnung kurzerhand räumen sollte und ich in dieser kurzen Zeit keine neue Wohnung fand. Die vielen Tränen, die aufgrund der unzähligen Absagen flossen, aber auch jene vor Freude, die beim heiß ersehnten Anruf der Maklerin liefen, als sie sagte, der Mietvertrag sei schon auf dem Weg zu mir. Und nun rückblickend zu verstehen, dass es das Beste war, das mir passieren konnte. Denn wie heißt es so schön, wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere – und so ging mit diesem Umzug ein großer Wandel einher. Mittlerweile habe ich sogar gelernt, dass es für solche Begebenheiten einen Fachbegriff gibt: Crash (Seelen-)Verträge. Chefs oder Vermieter, die – ohne jede Vorwarnung – dafür sorgen, dass das Leben mal kurz in den Schleudergang geschaltet wird, damit wir lernen, endlich unserer inneren Bestimmung nachzugehen.
Je länger ich über die vielen Geschehnisse dieses Jahres nachdenke, begreife ich, warum ich zu Beginn an das Jahr 2019 zurückdenken musste, und mir wird erstmals richtig deutlich, welche Situationen aus 2019 in diesem Jahr (endlich) zu einem Ende gekommen sind. Auch wenn dies bedeutete, dass mein Leben in den letzten zwei Monaten ein weiteres Mal komplett Kopf stehen musste. Doch rückblickend weiß ich, dass – wie bereits bei der Kündigung zu Beginn des Jahres – auch diese Phase ihre Berechtigung hatte, um mir meiner eigenen Stärke noch bewusster zu werden und zur Unterstützung die „passenden“ Menschen an die Seite gestellt zu bekommen, damit ich in wenigen Tagen mit großer Zuversicht ins Jahr 2023 starten und schon bald womöglich ein weiteres Mal die Umzugskisten packen und Berlin und seinen Bewohnern für unvergessliche, wenn auch sehr bewegte Jahre danken darf.
Ich wünsche Euch allen ein wundervolles Weihnachtsfest und einen fantastischen Start ins Jahr 2023!